Ausgebeutet durch die Immobilienrente?

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Prof. Dr. Klaus Wehrt, Finanzsachverständiger und Gutachter
Prof. Dr. Klaus Wehrt Finanzsachverständiger, Gutachter

Verheißungsvolle Fernsehwerbung

Thomas (75) und Christiane (69) Kleinjohann haben keine Kinder. Er war zeitlebens Kraftfahrer, sie arbeitete als Fleischereifachverkäuferin. Ihre gemeinsame Altersversorgung ist nicht das, was sie sich für ihr Rentendasein vorgestellt hatten. Wer kommt schon mit einer gemeinsamen Rente von 1.900 EUR gut über die Runden, zumal, wenn ein Teil der Rente auch von den Erhaltungsinvestitionen für die immerhin schuldenfreie eigene Immobilie aufgezehrt wird?

Die Jahre, Monate und Tage bis zum Renteneintritt hatten sie gezählt und sich darauf gefreut, während ihres Ruhestands schöne Dinge zu erleben, sich etwas zu gönnen, zeitweilig auswärts essen zu gehen, vielleicht eine Reise zu planen. Der Schock kam mit dem Rentenbescheid. Dass es Abschläge auf das Erwerbseinkommen geben würde, war ihnen klar. Dass diese jedoch ein solches Ausmaß erreichen würde, damit hatten sie nicht gerechnet.

Während der Werbeunterbrechungen an den gemeinsamen Fernsehabenden, so zwischen Günter Jauch und den jungen Ärzten, fühlten sie sich immer wieder von den verheißungsvollen Versprechen um eine Immobilienrente inspiriert: „Eigenes Haus, aber nur eine kleine Rente – kein Problem! Verdoppeln Sie Ihre Rente. Ihre Immobilie sichert Ihren Lebensabend.“

Das Thema fing an sie zu beschäftigen. Man muss das Haus nicht verkaufen - im Gegenteil: Man bleibt Eigentümer, erhält aber trotzdem zeitlebens eine Zusatzrente, gezahlt durch die „Lebensglück AG“. Selbstverständlich darf man das Haus weiterhin bewohnen. Nicht im gedanklichen Fokus der beiden Ehepartner standen dagegen Überlegungen dahingehend, die Immobilie zu verkaufen, das Geld gut anzulegen und sich daraus den Lebensabend zu versüßen oder sich nach anderen Käufern umzuschauen, die Ihnen eine üppige Leibrente zahlen und es ihnen somit ermöglichen würden, eine altersgerechte Mietwohnung zu beziehen. Über die Mietverpflichtungen hinaus würden dann noch weitere finanzielle Mittel für einen angenehmen Lebensabend bereitstehen.

Alsbald begingen sie ihren ersten Fehler.

Das Immobilienrentenangebot

Das Ehepaar Kleinjohann bewohnt eine 150 m² großes Einfamilienhaus auf einem 600 m² großen Grundstück. Errichtet wurde das Gebäude, gelegen im Hamburger Umland, im Jahr 1995. Zweifellos keine besonders luxuriöse Immobilie, eher das was man von Fertighausanbietern zu erwarten hat, aber immerhin einwandfrei „in Schuss“ und technologisch, ausgestattet mit einer neuen Gaszentralheizung, auf der Höhe der Zeit.

Die Lebensglück AG schätzte das Gebäude mit 150.000 Euro. Im Rahmen eines 50%-igen Teilverkaufs würde sie deshalb 75.000 Euro auszahlen. Alle Nebenkosten des Erwerbs würden allerdings den Verkäufern zur Last gelegt, also vom Einmalbetrag abzuziehen sein. Für die fortgesetzte Nutzung der selbstbewohnten Immobilie bis zum Ableben des letzten der beiden Ehepartner würde unter einem zu vereinbarenden lebenslangen Nießbrauchrecht eine monatliche Nutzungspauschale von 400,00 Euro zu begleichen sein. Alle notwendigen Instandhaltungsinvestitionen würden allerdings zulasten der Alteigentümer gehen.

Das Angebot sei fair, behauptet zumindest die Lebensglück AG, denn die durchschnittliche Lebenserwartung läge bei den Männern in Deutschland bei 78,9 Jahren für Männer und 83,6 Jahren für Frauen. Mithin würde Frau Kleinjohann wahrscheinlich noch ca. 15 Jahre die Immobilie nutzen. Dafür würde sich die Summe aller zu entrichtenden Nutzungspauschalen auf jährlich 4.800 Euro belaufen, insgesamt auf 72.000 Euro. Mithin erhielte die Lebensglück sogar im Durchschnitt 3.000 Euro weniger, als sie auszahlte.

Das überzeugte die Ehepartner. Sie willigten ein. Und das war ein Fehler.

Glückliche Rentner

Der Notartermin verlief reibungslos. Immerhin hatte die Lebensglück AG alles auf den Weg gebracht. Ein bisschen Vorlesen, zwei Unterschriften, fertig. Alle Bürokratiekosten (Notar, Finanzamt und Grundbuch) wurden sogleich vom Verkaufspreis abgezogen. Es verblieben 70.000 Euro, die sofort überwiesen wurden. Die Freude konnte nicht größer sein.

Jetzt erst einmal ein neues Auto: 35.000 Euro und die lang herbeigesehnte Kreuzfahrt: 9.000 Euro. Innerhalb von zwei Jahren schrumpfte der Kapitalstock von ursprünglich 75.000 Euro auf 12.000 Euro. Das schöne Leben war vorbei. Wie sollte man in der Zukunft von den monatlich 1.900 Euro Rente auch noch die Nutzungspauschale für den verkauften Teil des Hauses von 400 Euro zahlen können? In knapp drei Jahren wären auch die 12.000 Euro wegen der Nutzungsgebühr dahin.

Der Traum war somit schnell ausgeträumt. Gibt es noch einen Ausweg?

Ein Weg zurück?

Schnell kam den Eheleuten die Idee, das Geschäft rückabzuwickeln. Sie wollten einen Kredit über 75.000 EUR aufnehmen und den Immobilienanteil zurück erwerben. Doch die Lebensglück AG wies auf einen Passus im Notarvertrag hin, danach betrüge die Rückabwicklungsgebühr 5,5%. Zudem sei ihr für jedes angefangene Jahr seit dem Teilkauf eine angenommene Wertsteigerung der Immobilie von 3,5% zu vergüten.

Das dritte Jahr war bereits angebrochen. Mithin sollte sich der Aufschlag auf 16% (= 5,5% + 3 * 3,5%) belaufen. Anstelle von 75.000 Euro waren somit nunmehr zusätzlich noch weitere 12.000 Euro aufzuwenden. Das Kreditvolumen würde sich daher auf satte 87.000 Euro belaufen.

Ihr Resümee nach etwas mehr als zweieinhalb Kalenderjahren:

Teilverkaufspreis: 75.000 EUR
damalige Verkaufsgebühren: - 5.000 EUR
Nutzungsentgelt: - 12.000 EUR
Rückabwicklungsgebühr: - 4.125 EUR
Wertsteigerungsersatz: - 7.875 EUR
Erstattung Verkaufspreis: - 75.000 EUR
Saldo: -29.000 EUR

In zweieinhalb Jahren hätten Sie sich mit 29.000 Euro in die Miesen manövriert. Also schied dieser Weg aus.

Gab es noch eine andere Möglichkeit?

Kein Weg zurück!

Jetzt überlegten sie, ob sie vielleicht die gesamte Immobilie verkaufen sollten. Wenn es wirklich innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre eine jährliche Wertsteigerung von 3,5% gegeben habe, so müsste der Wert Ihres Eigenheims um 10,5% gestiegen sein, also um:

150.000 EUR * 10,5% = 15.750 EUR.

Tatsächlich stagnierten die Immobilienpreise. Mehr als 150.000 Euro würden sie nicht erlösen können. Zudem hätten Sie einen Preisabschlag für die Grunderwerbsteuer des Käufers einzuplanen und die Maklerkosten, die Gerichtskosten wie auch die Notarkosten des Verkaufs selbst aufzuwenden. Sie rechneten mit einem Abschlag von ca. 9%. Obendrein verlangte die Lebensglück AG die Rückabwicklungsgebühr von 5,5% und den vertraglich vereinbarten Wertsteigerungsaufschlag von jährlich 3,5%, zusammen 16%.

Jetzt sah die Rechnung wie folgt aus:

Teilverkaufspreis: 75.000 EUR
damalige Verkaufsgebühren: - 5.000 EUR
Nutzungsentgelt: - 12.000 EUR
Rückabwicklungsgebühr: - 4.125 EUR
Wertsteigerungsersatz: - 7.875 EUR
Erstattung Verkaufspreis: - 75.000 EUR
Preisabschlag für Grunderwerbsteuer: - 3.750 EUR
aktuelle Verkaufsnebenkosten: - 9.750 EUR
aktueller Verkaufspreis der Immobilie: + 150.000 EUR
Saldo: 107.500 EUR

Unterm Strich hätten Sie somit ihre komplette Immobilie aufgegeben und dabei einen Betrag von 42.500 Euro in den Sand gesetzt.

Nach dem erfolgreichen Verkauf aufzubringen hätten Sie die Zahlungen von:

Rückabwicklungsgebühr: 4.125 EUR
Wertsteigerungsersatz: 7.875 EUR
Erstattung Verkaufspreis: 75.000 EUR
Preisabschlag für Grunderwerbsteuer: 3.750 EUR
aktuelle Verkaufsnebenkosten: - 9.750 EUR
Saldo: 100.500 EUR

Es würden Ihnen somit nach dem Verkauf nur noch 49.500 Euro übrigbleiben. Das Haus wäre weg. Die Kreuzfahrt war schön. Das Auto bleibt.

Hätten Sie es besser machen können?

Früh prüfe sich, was sich ewig bindet!

Die Kleinjohanns fühlten sich in einer Sackgasse gefangen, aus der es jetzt kein Entrinnen mehr gab. Immerhin trafen sie, nachdem das Kind bereits in den Brunnen gefallen war, jetzt die richtige Entscheidung. Sie unternahmen nichts, ließen den Teilverkauf Teilverkauf sein und stotterten Monat für Monat die Nutzungsgebühr ab. Für das Auto erzielten sie immerhin noch 22.000 Euro.

Hätten sie sich nur früher um einen guten unabhängigen Rat bemüht. Der Teilverkauf stellt nur eine Möglichkeit dar, sich den Lebensabend zu versüßen oder zu verderben. Man hätte eine Leibrente, kombiniert mit einem Nießbrauchrecht, vereinbaren können. Die Kleinjohanns hätten vielleicht noch ein kleines Darlehen auf ihre Immobilie erhalten, möglicherweise in der Form einer Umkehrhypothek, das dann aus dem späteren Verkaufserlös des Hauses nach dem Ableben der Ehepartner hätte getilgt werden können. Vielleicht wäre es auch möglich gewesen, nur das Grundstück zu veräußern, einen Erbpachtzins zu begleichen und die Immobilie weiterhin als Eigenheim zu bewohnen. Immerhin gibt es in Deutschland viele Immobilien, die in Erbpacht errichtet wurden.

Alle diese Möglichkeiten hätten sie mit einem sachverständigen Experten durchsprechen sollen. Leider taten sie es nicht und sind deshalb in die Falle getappt.

Ende Gelände!

Ausgebeutet durch die Immobilienrente?

Getrickst wird mit dem Verkehrswert, seiner Verrentung, den Sterbetafeln und dem Kalkulationszins. Zudem wird der Interessierte mit Begrifflichkeiten zugeschüttet: Immobilienrente, Teilverkauf, Umkehrhypothek, Sale-and-Lease-Back. Traditionell waren in Deutschland dagegen die Leibrente und das Nießbrauchrecht.

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  Bank-
Rechnung
Wehrt-
Gutachten
Ersparte
Risikokosten
0,05 Pp. - 0,10 Pp. 0,59 Pp.
Abzuziehende
Risikoersparnis
1.000 € (1)
2.000 € (2)
11.800 €
Vorfälligkeits-entschädigung 14.800 € (1)
13.800 € (2)
4.700 €
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