Beleihungswert

Überprüfung von gutachterlichen Beleihungswertermittlungen

Wir decken die Fallstricke der Wertermittlung auf und zeigen Ihnen, wie Sie das Interesse Ihrer Mandanten wahren können.

Häufig übersehene Fehler bei der Beleihungswertermittlung wirken sich auch auf die Kreditkosten aus.

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Prof. Dr. Klaus Wehrt, Finanzsachverständiger und Gutachter
Prof. Dr. Klaus Wehrt Finanzsachverständiger, Gutachter

Die Bedeutung des Beleihungswertes

Buxtehude, 12.06.2024: Am 8. Oktober 2022 trat eine neue Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) in Kraft.

Die Kreditvergabe von Banken erfolgt im Regelfall nicht ohne die Überprüfung der Werthaltigkeit der zu beleihenden Immobilie. Zudem verlangen die Regularien auf europäischer Ebene eine periodische Aktualisierung ehemaliger Immobilienbewertungen.

Weniger beachtet wird der mögliche Rückgriff auf den seinerzeit ermittelten Beleihungswert für die Fälle vorzeitiger Darlehensrückzahlungen. Unter Verwendung des Beleihungswertes preist die Kreditgeberin den entsprechenden Risikoaufschlag für das zu gewährende Darlehen ein. Folgt man der geltenden BGH-Rechtsprechung zur Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung, so hat das Geldhaus auf der anderen Seite genau diesen Risikoaufschlag dem Kunden bei der vorzeitigen Kreditablösung in Form eines Abschlags auf die Zinsentschädigung wieder gutzubringen.

Daher erscheint es nicht zuletzt im Lichte dieser neuen Vorschriften wichtig, Vorfälligkeitsentschädigungen und Nichtabnahmeentschädigungen vor dem Hintergrund der neuen Vorschriften der Beleihungswertermittlung zu überprüfen. Vom korrekt festgestellten Beleihungswert zur fundiert ermittelten Risikoersparnis.

Wir erledigen das für Sie!

Die gesetzlichen Grundlagen

Das Pfandbriefgesetz (PfandBG) definiert in § 14 die sog. Beleihungsgrenze. Danach dürfen für die Deckung herausgegebener Pfandbriefe Hypotheken nur bis zur Grenze der ersten 60 % des Grundstückswertes herangezogen werden. Den insoweit relevanten Grundstückswert definiert § 16 Abs. 2 PfandBG:

„Der Beleihungswert darf den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie … ergibt. Spekulative Elemente dürfen dabei nicht berücksichtigt werden.“

Mit der Beleihungswertermittlungsverordnung (§ 3 Abs. 1 BelWertV) hat der Gesetzgeber verfügt, wie ein zu kalkulieren ist. § 3 Abs. 2 ist neuerdings um zwei Sätze ergänzt:

„Die Feststellung nachhaltiger Merkmale des Objekts und deren Einflussgrößen auf die Bewertung bedarf dabei einer langfristigen Betrachtung der Marktgegebenheiten. Der betrachtete Zeitraum ist zu benennen und seine Angemessenheit nachvollziehbar darzulegen.“

Auf der Ebene der Europäischen Union wurden die nationalen Bestimmungen einengende weitere Vorschriften erlassen, so insbesondere die Kapitaladäquanz-Richtlinie (CRD) sowie die zugehörige Kapitaladäquanz-Verordnung (CRR). Streng sind insbesondere die Anforderungen an die regelmäßige Überprüfung des Immobilienwertes.

Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung des Immobilienwertes

Als „vollständig besichert“ gilt eine Wohnimmobilie, wenn der Beleihungsgrad nicht mehr als 80% beträgt (Art. 125 Abs. 2 lit. d CRR). Für so vollständig besicherte Wohngebäude gilt ein Risikogewicht von 35% (Art. 125 Abs. 1 lit. a CRR). Unter einer typischen Eigenmittelunterlegung von 10,5% - i.e. Risikogewicht von 1 – sind somit 3,675% an Eigenmitteln für die Kreditherausgabe einzusetzen. Für Gewerbeimmobilien gelten dagegen strengere Anforderungen. Vollständig besicherte Büro- oder sonstige Gewerbeimmobilien erhalten ein Risikogewicht von 50% (Art. 126 Abs. 1 lit. a CRR). Die Eigenkapitalunterlegungspflicht beläuft sich daher auf 5,25%.

Diese Bindung von Eigenmitteln verhindert, dass Institute jederzeit dazu in der Lage sind, weitere an sie herangetragene Kreditwünsche zu erfüllen. Zudem bedeutet die Bindung, dass riskantere Engagement einer größeren Eigenkapitalunterlegung bedürfen. Eine Verdoppelung der Eigenmittelunterlegung halbiert den Umfang der insgesamt ausleihbaren Kredite, weshalb die Banken für riskante Engagements ganz erhebliche Risikoaufschläge vornehmen, die sie bei einer vorzeitigen Ablösung wieder zu erstatten haben (Vgl. Wehrt WM 2018, 1158).

Leider werden von den Kreditinstitute geradezu systematisch derartig wenig reflektierte Berechnungen zur Vorfälligkeits- oder Nichtabnahmeentschädigung ausgestellt. Man begnügt sich mit den minimalistischen Standardabschlägen und treibt damit die Entschädigung in die Höhe. Lassen Sie daher gezahlte Entschädigungen vom Experten überprüfen. Wir machen das!

Fehler bei der Beleihungswertermittlung

Nicht selten lassen sich fehlerhafte Beleihungswertermittlungen feststellen.

Fehlerquelle 1: Der Kalkulationszins

Nach der Überarbeitung der BelWertV finden sich die größten Veränderungen in § 12. Er bestimmt die Art der Kapitalisierung der Reinerträge. Der Kapitalisierungszins soll sich aus der Addition der Rendite eines langfristigen Bundeswertpapieres sowie eines Aufschlags von drei (Wohnimmobilie) bzw. vier Prozentpunkten (Gewerbe) berechnen. Erstmalig stützt sich somit die Wertermittlung auf statistisch ausgewiesene Renditen der Deutschen Bundesbank.

Verwirrung um die Behandlung der Inflationserwartungen

Die zur Feststellung dieser Renditen beauftragte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhöhte im Dezember des Jahres 2023 die Mindestkapitalisierungssätze für wohnwirtschaftliche Nutzungen auf 5,5% (vorher: 5,1%), für gewerbliche Nutzungen auf 6,5% (vormals: 6,1%). Offensichtlich ist die Veränderung der Mindestkapitalisierungssätze stets ein Stück weit inflationsgetrieben, denn Wertpapierrenditen reflektieren keine um die Inflation bereinigten Realzinssätze. Inflationseinflüsse sind somit auf die zu beurteilenden Größen nicht herauszurechnen, sondern sind fester Bestandteil der Wertermittlung.

Nicht recht dazu passen will das beibehaltene Konzept des Vervielfältigers. Es unterstellt einen von Periode zu Periode – und das über die wirtschaftliche Nutzungsdauer – konstanten Reinertrag, geprägt von der Differenz aus Rohertrag und Bewirtschaftungskosten.

Wenn aber der Kalkulationszinsfuß – die Größe im Nenner des Vervielfältigers – künftig auch von 30jährigen Inflationserwartungen mit geprägt wird, so muss dies ebenfalls für den Zähler gelten, denn auch der für die nächsten 30 Jahre zu erwartende Reinertrag verändert sich mit den Inflationserwartungen. Darauf wurde aber offensichtlich bei der Überarbeitung der Wertermittlungsverordnung nicht abgestellt.

Fehlerquelle 2: Gutachterliche Ausschlüsse

Anerkanntermaßen kann ein Immobiliensachverständiger nicht alle die Nutzung eines Gebäudes gefährdenden Risiken im Beleihungswertgutachten abbilden. Viele Gutachten enthalten deshalb Risikoausschlüsse in Bezug auf solche Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit gering ist. Das ist unbedenklich, sofern auch die damit einhergehende erwartete Schadenshöhe vernachlässigbar ist. Bedenklich wird es jedoch, wenn ein kleines Schadensrisiko mit einem hohen Schadenserwartungswert korrespondiert. So mag die Wahrscheinlichkeit eines Hangrutsches für ein Berggrundstück äußerst gering sein, er würde jedoch zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen.

Berücksichtigung kleiner Risiken mit hohem Schadenspotential

Berücksichtigen könnte man diesen Aspekt bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer. Unter einer Nutzungsdauer von 30 Jahren und der Gefahr eines Hangrutsches bezogen auf einen Fünfzehnjahreszeitraum von 5% ergäben sich drei statistische Szenarien:

  1. Kein Hangrutsch in 30 Jahren.
  2. Hangrutsch zwischen Jahr 16 und 30.
  3. Hangrutsch zwischen Jahr 0 und 15.

Das Risiko für Szenario c) ist 5%. Szenario b) kann nur eintreten, wenn c) nicht eingetreten ist, trägt also die Wahrscheinlichkeit W(b):

W(b) = 0,95 * 0,05 = 0,0475 = 4,75%

Für W(a) gilt entsprechend:

W(a) = 0,95 * 0,95 = 90,25%,

Probe: Die Wahrscheinlichkeiten addieren sich zu 100%.

Die erwartete Nutzungsdauer N der Immobilie entspricht deshalb der Summe der Wahrscheinlichkeitsprodukte:

N = 0,9025 * 30 Jahre + 0,0475 * 22,5 Jahre + 0,05 * 7,5 Jahre = 28,52 Jahre.

Der Sachverständige sollte sich also stets fragen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, Ereignisse mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, aber einem hohen Schadenspotential über die wahrscheinlichkeitstheoretische Überprüfung der erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsdauer in seine Betrachtung einzubeziehen. Insoweit zu erfassen sind allerdings nur nicht versicherte oder nichtversicherbare Risiken wie Sturmflutgefahren in Norddeutschland, dauerhafte Absenkung von Gebäuden, versteckte Bauschäden, welche die Nutzung für die Zukunft ausschließen, die Möglichkeit nicht beseitigbarer Gesundheitsgefahren.

Allerdings erweist sich das obige Verfahren nur als eine näherungsweise richtige Lösung.

Dass ein Sachverständiger im Rahmen seiner gutachterlichen Tätigkeiten Annahmen trifft und dabei wertbeeinflussende Umstände aus seiner Bewertung ausblendet, ergibt sich häufig aus dem wirtschaftlichen Erfordernis, die Expertise zu einem angemessenen Preis herzustellen. Das darf aber nicht dazu führen, dass die oben aufgeführten Risiken komplett ausgeblendet und sodann mit null angesetzt werden.

Fehlerquelle 3: Erträge und Kosten

Ein eher selten zu beobachtender Fehler bietet sich schon dar, wenn die steuerfreien oder umsatzsteuerbereinigten Nettokaltmieten mit Kostenkomponenten saldiert werden, die teilweise noch Umsatzsteueraufschläge enthalten. Ein derartiger Fehler mindert den Reinertrag und damit den Beleihungswert des Gebäudes.

Bedeutsame Änderungen hält auch § 11 bereit. Hatten sich bislang die Ansätze für die Bewirtschaftungskosten für die einzelnen Kostenkategorien innerhalb der Bandbreiten der in Anlage 1 (alte Fassung) angegebenen Intervalle zu bewegen, so gelten nach der neuen Anlage 1 Mindestkostensätze für die Einzelkategorien der Bewirtschaftung. Weiterhin gilt überdies ein die Komponenten umfassender Mindestabschlag von 15% vom Rohertrag

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Folgende Artikel könnten für Sie von Interesse sein:

Bereits im Jahr 2018 habe ich mit meinem Aufsatz in der WM (Wehrt WM 2018, 1158) die Thematik der Risikoerstattung bei vorzeitiger Kreditkündigung aufgegriffen. Seither setze ich mich mit großem Erfolg für die Rechte meiner Mandanten in diesem Bereich ein.

Ein Fallbeispiel!

Darlehen: 400.000 Euro endfällig, Zinssatz: 3,5%
Ablösung: 31.12.23, Restbindung: 5 Jahre, Beleihung: 80%

  Bank-
Rechnung
Wehrt-
Gutachten
Ersparte
Risikokosten
0,05 Pp. - 0,10 Pp. 0,59 Pp.
Abzuziehende
Risikoersparnis
1.000 € (1)
2.000 € (2)
11.800 €
Vorfälligkeits-entschädigung 14.800 € (1)
13.800 € (2)
4.700 €
(1) bei 0,05 Pp., (2) bei 0,10 Pp.

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Berechnungen entsprechend einer Zinsanpassung nach einer Gleitzins-Referenzreihe lehnt der BGH mit Urteil vom 25.04.2023 (BGH XI ZR 225/21) ab:

Dabei wird die Anpassung des Vertragszinses entgegen der Ansicht des Musterklägers nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte erfolgen können…

Jede Rückrechnung, die sich auf das zu den verschiedenen Zeitpunkten insgesamt vorhandene Sparvolumen bezieht, führt – ebenso unter Beachtung der Vorgabe des BGH – zu einer Berechnung mit einem Gleitzinssatz. Das gilt auch, wenn die Zinsanpassung selbst nach einem punktuell sich verändernden Monatsreferenzzins erfolgt. Dafür verantwortlich sind finanzmathematische Gesetzmäßigkeiten.

Eine Berechnung ohne den finanzmathematisch zwingenden Gleitzinsautomatismus würde voraussetzen, dass jede Einzahlung bei der Nachberechnung gesondert erfasst wird. Jeder einzelnen Sparrate ist sodann der zum Zeitpunkt der Einzahlung aufgrund der Monatsstatistik geltende angepasste Sparzinssatz für den Zeithorizont der langfristigen Sparanlage, also bspw. 10 Jahre, unverändert zuzuweisen. Nur unter einer solchen Berechnungsweise darf finanzmathematisch auf die Gleitzinskalkulation verzichtet werden.

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